«Es dauert nicht mehr lange»

Sunrise-CEO Christoph Brand über neue Angebote seines Unternehmens, Flatrates und ein Bitstream-Angebot, das keines ist.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/03

     

InfoWeek: Herr Brand, ist Sunrise die neue Orange?



Christoph Brand: Wie bitte ...?





Wenn man die neue Kampagne und den neuen Auftritt von Sunrise anschaut, erinnert einiges an Orange. Stichwort Emotionen etc.!


Wenn jede Firma mit Orange verglichen wird, die Werbung basierend auf Emotionen macht, dann ist das halt so. Aber wir gehen einen eigenständigen Weg.





Trotzdem scheint es, Sunrise wolle mit dem neuen Auftritt in erster Linie Privatkunden anpeilen. Wie wichtig sind Ihnen Business-Kunden überhaupt noch?


Wenn Sie sich anschauen, was gerade in den letzten Wochen an Kampagnen spezifisch für Geschäftskunden gelaufen ist, dann sollte dieser Eindruck eigentlich nicht entstehen. Geschäftskunden sind für uns ein zentraler Faktor. Wir haben dort gar noch ambitioniertere Wachstumsziele als im Privatkundenbereich. Dies aus dem simplen Grund, dass wir – abgesehen von der Swisscom – der einzige Anbieter sind, der Festnetz- und Mobiltelefonie sowie Integrationsleistungen für Firmen anbieten kann.





Sie scheinen derzeit vor allem auf Mobilkunden zu zielen. Ist es nicht enorm schwierig, in diesem Markt Boden gut zu machen, wenn man bedenkt, wie wenig wechselfreudig Herr und Frau Schweizer sind?


Dies ist ein wichtiger Punkt. Es ist interessant zu beobachten, wie der Schweizer zum Teil – ich muss es so sagen – Geld in den Wind schlägt. Bei Sunrise gibt es ja keine Grundgebühr mehr, sprich, man bezahlt keine 25 Franken im Monat, um das Recht zu erhalten, mobil zu telefonieren. Für jeden Franken, den man bei uns bezahlt, bekommt man einen Gegenwert. Es ist erstaunlich, dass uns zum Teil Reaktionen erreichen im Stile von: «Ich finde das zwar super, aber den Anbieter zu wechseln ist mir zu mühsam.» Dabei wäre es so einfach, zu wechseln.





Mit Click&Call bietet man neu alles aus einer Hand mit einer einzigen Rechnung an. Begeisterungsstürme bleiben aber aus. Man rechne: 49 Franken fürs Surfen plus 25 Franken für den Hausanschluss ergibt bei einem anderen Anbieter 74 Franken, bei Sunrise kostets ohne Mobilfunk-Abo aber 79 Franken.


In diesem Preis sind aber auch 1000 Gesprächsminuten enthalten.





Sind Gratisminuten überhaupt ein Verkaufsargument?


Alleine betrachtet eigentlich nicht. Ein Angebot muss mit der Summe von Faktoren überzeugen. Gefragt sind ein guter Kundendienst, Einfachheit und Transparenz sowie viele andere Faktoren. In der Telekomwelt gibt es beim besten Willen wenige und schon gar keine exklusiven Killerdienste.





Jahrelang war Triple-Play das Zauberwort der Telcos. Sunrise hätte die Möglichkeit, Mobile, Internet und Festnetz aus einer Hand zu einer Flatrate anzubieten, macht das aber nicht. Warum?


Ich möchte natürlich nicht verkünden, was wir in den nächsten Monaten alles bringen werden ...






Aber Sie dürfen uns den Mund wässrig machen ...


Unser Auftrag liegt darin, dem Endkunden eine integrierte Alternative zu dem zu bieten, was er sonst verzettelt erhält. Wir werden die Bedürfnisse sowohl von Privat- wie auch Geschäftskunden nach mehr Leistung zu attraktiveren Preisen befriedigen. Ob dies in Form eines Pauschalangebots oder über einen anderen Weg passiert, werden Sie dann sehen.





Aber die Zukunft bei den Anbietern geht klar in Richtung Flatrate, oder sehen Sie das anders?


Ich bin hier etwas vorsichtig. Es gibt sicher einen Trend in diese Richtung. Ob dieser Flatrate-Trend über alles hinweg gilt, und ob die Flatrate in der Summe wirklich attraktiv ist, muss sich jedoch weisen. Solange die Situation so
ist, dass wir im Breitbandgeschäft bei einem ADSL-Endkundenpreis von 49 Franken 32 Franken der Swisscom abliefern müssen, haben wir kaum Spielraum. Das schränkt die Möglichkeiten für Preismodelle in diese Richtung stark ein. Gewinn macht in diesem Geschäft nur ein Anbieter, und das sind definitiv nicht wir. Erst mit der Entbündelung der letzten Meile gibt es etwas mehr Optionen. Doch Sie kennen die Debatte mit den 31 Franken für den Anschluss, welche die Swisscom verlangt und die mehr als doppelt so hoch sind als im Rest von Europa. Und hier stellt sich für uns die Frage: Geben wir allfällige Preissenkungen wie in der Vergangenheit schon jetzt weiter, machen Verluste und hoffen, dass dann in
3 Jahren nach all den Rechtsstreitigkeiten eine Zahlung zurückkommt, oder machen wir es anders? Im Markt Schweiz ist es also für alle Anbieter enorm schwierig, die Preise signifikant zu senken. Weil eine Firma das Land dominiert.





Ihre Idee der Kabel und Schacht AG in Ehren. Aber: Das Ganze scheint viel heisse Luft zu sein? Sunrise kann die Swisscom zu nichts zwingen, die Politik scheint nicht handeln zu wollen – ist die Idee so überhaupt realistisch?


Ich drehe die Frage um: Würden Sie als Konsument es schätzen, wenn alle Anbieter in der Schweiz vor der Übermacht der Swisscom kapitulieren würden?





Absolut nicht. Aber seien wir realistisch: Sunrise fehlt die Macht und der Politik der Willen für die Umsetzung eines solchen Plans.


Das wird sich zeigen. Für uns ist es keine Option, in der gegenwärtigen Situation zu verharren – mit Festnetz-Marktanteilen der Swisscom von 70 bis 90 Prozent. Hohe Marktanteile haben immer hohe Preise zur Folge. Das wollen wir nicht akzeptieren. Die Politik hat sich für Wettbewerb und für die Liberalisierung ausgesprochen und dies im Jahr 2006 noch einmal in aller Deutlichkeit bestätigt. Das interpretieren wir als Auftrag. Die Kabel und Schacht AG wäre revolutionär für die Schweiz, aber sie geht viel weniger weit als das, was beispielsweise die EU vorhat. Die EU will die Firmen komplett spalten, inklusive der ganzen Netzausrüstung. So weit sollte man nicht gehen. Wir wollen ja, dass in der Schweiz weiterhin investiert wird. Jedoch sollten nicht drei Mal die gleichen Gräben gegraben werden, um dann drei Mal dasselbe Kupfer- oder Glasfaserkabel hineinzulegen. Für uns ist zentral, dass der Wettbewerb auf der Ausrüstungs- und Dienste-Ebene stattfindet. Und dort teile ich die Meinung der Swisscom. Man soll investieren. Eine Kabel und Schacht AG würde lediglich Transparenz schaffen, wo die Kosten für die Schächte und Kabel tatsächlich liegen. Der Wiederverkaufspreis von 31 Franken kann nicht den tatsächlichen Kosten entsprechen. Dafür kämpfen wir, und wir sind überzeugt, dass eine solche Idee das Richtige für unser Land wäre. Über die Realisierungschancen muss dann die Politik entscheiden.





Sie haben zuvor gesagt, Sie werden die Preise auf Vorrat senken. Wie viel Luft haben Sie hier? Wie viel vorher kann Sunrise die Preissenkungen lancieren?


Das ist eine gute Frage, die sich eigentlich die Politik stellen sollte. Es ist schon beängstigend, dass Sunrise die einzige Firma ist, die flächendeckend in ULL investiert. Alle anderen haben bereits das Handtuch geworfen, abgesehen von einigen kleineren Anbietern, die regional tätig sind. Doch seien wir ehrlich: Ein Markt, in dem es einen riesigen nationalen Player und einige kleine regionale Player gibt, ist kein Markt.





Ein anderes Thema: Ende letzten Jahres haben Sie die erste entbündelte Ortszentrale in Betrieb genommen. Was bedeutet dies nun konkret für Firmen, die an diese Zentrale angeschlossen sind?


Das bedeutet, dass wir diesen Firmen Angebote machen können, die auf unserer Technologie, auf unseren Investitionen, auf unserer Infrastruktur basieren. Diese Kunden bekommen integrierte Angebote – andere Angebote, als sie es bislang gewohnt waren. Und sie bekommen viel attraktivere Preise als bis anhin ohne eine zusätzliche Rechnung eines Konkurrenzanbieters. Aber: Wir haben Ende 2007 mit der Entbündelung angefangen, und es wird noch etwas dauern, bis wir in der Fläche Angebote lancieren können.





Kommen wir zu den DSL- und Bitstream-Preissenkungen, welche die Swisscom Ende Januar kommuniziert hat. Sind Sie zufrieden damit, und werden Sie die tieferen Preise Ihren Kunden weitergeben?


Zuerst einmal: Die Swisscom bietet keinen Bitstream an, sondern nennt etwas Bitstream, das kein Bitstream-Zugang ist. Fragen Sie die ComCom, ob man es lustig findet, dass die Swisscom ihr Angebot neuerdings Bitstream nennt. Eben erst wurde eine Klage beim Bundesgericht eingereicht, damit die Swisscom keinen Bitstream anbieten muss, obwohl das Parlament das will. Was die Swisscom anbietet, ist ein sogenanntes nacktes DSL. Wenn wir heute ein Breitband-Angebot von der Swisscom kaufen, bezahlen wir 32 Franken und können es am Markt für 49 Franken verkaufen. Die Swisscom aber verlangt vom selben Endkunden nochmals 25 Franken für den Hausanschluss. Ein echtes nacktes DSL-Angebot wäre eines, welches sie uns für 32 Franken verkaufen – was überdies immer noch zu viel wäre – ohne dass sie von uns dann noch den Erwerbsausfall verlangen, der entsteht, weil der Endkunde ihnen nichts mehr für den Hausanschluss zahlt. Faktisch verlangen sie aber von uns zu den 32 noch die 25 Franken; selber schenken sie den Kunden aber die 25 Franken. So kann ja kein Wettbewerb entstehen. Ich hätte gerne ein nacktes DSL für 25 oder auch 30 Franken. Das würde ich kaufen. Aber nicht, wenn wir den Erwerbsausfall bezahlen müssen, den die Swisscom an einem anderen Ort hat.





Die 4 Franken Preisabschlag auf DSL werden Sie dem Kunden aber weitergeben, oder?


Wir machen doch heute schon Verluste mit dem DSL-Angebot...





Können Sie es sich leisten, den Abschlag nicht weiterzugeben?


Das werden wir sehen. Wir sind immer noch daran, zu eruieren, wie wir mit diesen – wohlgemerkt sehr bescheidenen – Preissenkungen umgehen wollen. Doch der Punkt ist, wir verlieren Geld auf dem Wiederverkaufsangebot, weil sich mit 32 Franken Einkaufspreis einfach kein Geld verdienen lässt.





Nochmals zum Breitbandmarkt. Seit Jahren bewegen sich die Preise kaum, stattdessen wird an der Bandbreite nach oben gedreht, auf ein Niveau, das 80 Prozent der Schweiz nicht braucht...


...99 Prozent brauchen das nicht, wenigstens auf absehbare Zeit!





...wenn Sie nun frei die Angebote definieren könnten, würden Sie auch so vorgehen?


Ich wiederhole mich: Sie werden sehen, was wir lancieren werden. Glauben Sie mir, es dauert nicht mehr lange. Aber Sie sprechen einen ganz wichtigen Punkt an: Die Kunden wollen nicht für Dienste bezahlen, welche sie nicht benötigen. Bis jetzt hatten sie keine Wahl, weil bei sieben von zehn Breitbandanschlüssen die Swisscom sowohl den Wiederverkaufspreis als auch den Endkundenpreis definiert. Und anstatt die Preise zu senken, werden die Bandbreiten erhöht. Doch es gibt de facto keine Anwendung mit Ausnahme von TV, die solche Bandbreiten braucht. Und TV hat, wie sich gezeigt hat, noch ganz andere Probleme.


Zur Person

Der noch nicht einmal 40-jährige Christoph Brand ist seit November 2006 CEO von Sunrise. Zuvor war er über 10 Jahre für die Swisscom tätig, unter anderem als Bluewin-CEO, als Vize-Präsident der Fixnet-Wholesale-Sparte und ganz zum Schluss als Chief Strategy Officer der Swisscom Group. Brand hat ein Lizentiat in Betriebswirtschaft der Universität Bern und ist verheiratet. Durchsetzungsvermögen verlangt auch eines seiner Hobbys – Brand ist Degenfechter und spielt daneben noch Saxophon. Über seine ersten 14 Monate bei Sunrise sagt er, dass er extrem stolz sei auf die Leistung seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Man sei an die Grenze dessen gegangen, was man den Angestellten an Veränderungen innerhalb von sehr kurzer Zeit zumuten konnte.

(mw)


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