Grosse Gruppen gekonnt schulen
Quelle: MTI Consultancy

Grosse Gruppen gekonnt schulen

Von Sabine Machwürth

Wenn Firmen neue Lösungen einführen, wollen oft bis zu Tausende von Mitarbeitenden oder Kunden in kurzer Zeit trainiert werden. Ein paar technische Tricks helfen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2016/11

     

Viele Monate oder gar Jahre feilte der Handelskonzern Grossumsatz an der Webplattform für seine Händler. Millionen investierte er in deren Entwicklung. Nun ist die Plattform endlich online. Und der Verkaufsleiter wartet gespannt darauf, was geschieht: Leider nichts. Die Händler übermitteln ihre Bestellungen weiterhin per Telefon und Mail, so als existiere die Plattform nicht. Denn die Händler wurden zwar über die Existenz der neuen Plattform informiert, doch nicht in deren Nutzung geschult.

Ähnlich verhält es sich beim Technologieunternehmen Moderntechnik. In mühsamer Kleinarbeit organisierte es seine Produktion um. Neue Verfahren wurden eingeführt und die Prozesse neu strukturiert, um die Durchlaufzeiten zu verkürzen und die Fehlerquote zu senken. Neugierig beugt sich denn auch der Produktionsleiter jede Woche über die aktuellen Zahlen und ist zunehmend enttäuscht, weil diese sich nicht verbessern. Die Mitarbeiter arbeiten weiter wie gewohnt.


Solche Pannen passieren oft, wenn Unternehmen neue Strategien, Verfahren oder Technologien einführen. Die Anfangseuphorie ist oft schnell verflogen, weil die erhoffte Wirkung ausbleibt. Dies nicht, weil die Lösung an sich nichts taugt, sondern weil die Personen, die mit ihr arbeiten sollen, ihren Nutzen nicht erkennen und ihr Verhalten nicht ändern.

Fiktion: Das klappt von alleine

Viele Unternehmen hegen die Illusion: Wenn wir Neuerungen einführen – seien diese technischer, struktureller oder strategischer Art – dann entfalten diese von allein die erhoffte Wirkung. Das Gegenteil ist oft der Fall. Weil für die Mitarbeiter der Umgang zum Beispiel mit der neuen technischen Lösung noch ungewohnt ist, erscheint ihnen diese zunächst schwieriger und umständlicher. Entsprechend schnell fällen sie das Urteil: "Das taugt nichts" – wenn sie nicht die nötige Unterstützung beim Um- oder Neulernen erfahren. Ähnlich verhält es sich, wenn Betriebe ihre Struktur oder Strategie ändern. Auch dann müssen die Mitarbeiter neue Denk- und Verhaltensmuster entwickeln – also Umlernen. Das beachten viele Unternehmen nicht. Aber wie erfolgreich die Einführung einer neuen Strategie, Struktur oder Lösung ist, hängt stark davon ab, inwieweit deren Nutzern die Kompetenz vermittelt wurde, diese mit Leben zu füllen.


Dabei gilt: Die Zeitspanne, in der ein Unternehmen den Anwendern die nötigen Skills vermitteln kann, ist oft kurz. Zuweilen beträgt sie nur wenige Tage, zum Beispiel, wenn ein Unternehmen eine neue Serviceplattform für seine Handelspartner einführt. Haben diese bei ihren ersten Versuchen den Eindruck: "Das Ding funktioniert nicht", ist oft das gesamte Projekt ein Flop. Ähnlich verhält es sich, wenn für die Kundenbetreuer eine neue Beratungssoftware eingeführt wird. Auch dann ist das "Window of Opportunities" oft nur wenige Wochen offen. Das heisst: In dieser Zeit entscheidet es sich, ob die Kundenbetreuer die Software aktiv und effektiv nutzen oder in das System nur Daten eintragen, um formal die Vorgaben zu erfüllen.

Die eigenen Mitarbeitenden zu Trainern ausbilden

Drei Wege haben sich in dem Fall bewährt (siehe Kasten). Mitarbeitende als Trainer einzusetzen, hat gegenüber einem Schulen durch externe Trainingsanbieter einige Vorteile: Die internen Trainer stehen auch dann als Ansprechpartner zur Verfügung, wenn beim Umsetzen im Alltag Probleme auftauchen. Verfügen die Mitarbeiter erst einmal über die Kompetenz, Wissen anderen Personen strukturiert zu vermitteln, kann hierauf immer wieder zurückgegriffen werden. Ausserdem erhöht sich, wenn die Personen, die zu Trainern ausbildet werden, Führungskräfte sind, auch deren Kompetenz ihre Mitarbeiter im Arbeitsalltag anzuleiten und zu coachen.


Solche Trainer-Ausbildungen, die zum Beispiel Teamleiter oder Spezialisten als Teilzeit-Trainer qualifizieren, müssen anders konzipiert sein als Ausbildungen zum hauptberuflichen Trainer. Sie dürfen sich zum Beispiel nicht über ein, zwei Jahre erstrecken. Sie müssen sich zudem auf die Stichpunkte fokussieren, die für die Wissensvermittlung an Mitarbeiter oder Kollegen unabdingbar sind – also zum Beispiel auf die Fragen:

  • Wie lernen Erwachsene?
  • Wie können komplexe Lerninhalte so vermittelt werden, dass sie sich bei den Lernern verankern?
  • Wie kann ich als Trainer die Lernbereitschaft der Teilnehmer fördern und bewahren?
  • Welche Tools und Methoden zur Wissensvermittlung gibt es und wie nutze ich sie effektiv?
  • Wie stelle ich den Transfer in den Arbeitsalltag sicher?

Drei Wege zum Ziel
Wie können Unternehmen einer Vielzahl von Personen in relativ kurzer Zeit das nötige Bewusstsein, Wissen und Können vermitteln, das sie brauchen?

  • Weg 1: Das Unternehmen trainiert alle Mitarbeiter (beziehungsweise Händler, User) mit eigenem Schulungspersonal. Das scheitert oft daran, dass den Betrieben zu wenig Weiterbildungsprofis zur Verfügung stehen.
  • Weg 2: Das Unternehmen überträgt diese Aufgabe einem externen Trainingsanbieter. Damit sind meist hohe Kosten verbunden. Ausserdem kennen die Mitarbeiter des externen Dienstleisters in der Regel die Abläufe und Feinstrukturen im Unternehmen nicht. Also müssen sie erst selbst geschult werden.
  • Weg 3: Das Unternehmen bildet firmenintern, bevor es die Neuerung einführt, so genannte Multiplikatoren aus. Das heisst: Weiterbildungsprofis vermitteln ausgewählten Mitarbeitern zunächst das nötige Know-how und die erforderliche Kompetenz zum Schulen anderer Personen. Danach trainieren diese ihre Kollegen oder die Kunden des Unternehmens. Durch ein solch mehrstufiges Vorgehen lässt sich die für das Schulen grosser Personengruppen benötigte Zeit erheblich reduzieren.

Getreu der Maxime "Was ist für die Teilnehmer und ihre Aufgabe relevant?" muss also das Programm der klassischen Trainer-Ausbildungen entschlackt werden – und zwar so, dass der Stoff zum Beispiel in zwei- bis dreitägigen Seminaren vermittelbar ist.

Solche abgespeckten oder auf den Firmenbedarf zugespitzten Trainerausbildungen stossen bei den Unternehmen auf eine steigende Resonanz. Denn neben ihrem Marktumfeld ändern sich in den Unternehmen auch die Strategien, Abläufe und genutzten technischen Verfahren in immer kürzerer Zeit. Da der Schulungsbedarf steigt, benötigen die Unternehmen folglich mehr Mitarbeiter, die über die Kompetenz verfügen, Kollegen oder Kunden zu schulen – und zwar zeit- und arbeitsplatznah.

IT ermöglicht neue ­Schulungskonzepte

In diesen Trainerausbildungen spielt zunehmend auch das Thema Blended Learning eine wichtige Rolle – also die Verknüpfung von E-Learning oder Online-Lernen mit klassischen Präsenzveranstaltungen wie Seminaren und Trainings. Speziell wenn es um das Schulen sehr grosser Personengruppen geht, setzen die Unternehmen verstärkt auf diese Lernform – aus Kostengründen und um die Arbeitsausfallzeiten zu reduzieren.


Mittels elektronischer Lernprogramme eignen sich die Teilnehmer zunächst das erforderliche kognitive Know-how, zum Beispiel über das neue Produkt oder Verfahren an, bevor sie in Seminaren die praktische Anwendung üben. Weitgehend verabschiedet haben sich die Unternehmen jedoch von der Wunschvorstellung, sie könnten beim Vermitteln von Lerninhalten, die auch eine Einstellungs- oder Verhaltensänderung erfordern, rein auf das Lernen mit elektronischen Lernprogrammen setzen. Die Praxis zeigt, dass solche Lern- und Verhaltensänderungen den meisten Menschen schwer fallen, ebenso der Transfer in den Arbeitsalltag. Deshalb benötigen sie eine persönliche Unterstützung und Begleitung; sei es durch einen Trainer in einem Seminar oder einen Tutor, der sie beim Online-Lernen anleitet.

Webinare auf dem Vormarsch

Zunehmend setzen die Unternehmen beim Schulen grösserer Personengruppen auch auf so genannte Webinare. Bei diesen interaktiven Online-Seminaren befinden sich der Trainer oder Tutor sowie die Lerner an unterschiedlichen Orten und kommunizieren mit Hilfe der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie miteinander. Dabei können die Teilnehmer zumindest ihren Trainer oder Tutor, häufig jedoch auch ihre Mitlerner via Bildschirm sehen.


Diese Form des Lernens stösst bei den Unternehmen auch deshalb auf eine grosse Resonanz, weil in der globalisierten Wirtschaft die potentiellen Teilnehmer an einem Seminar nicht selten aus verschiedenen Ländern kommen. Entsprechend hoch wären der Zeitverlust und die Reisekosten, wenn das Seminar an einem Ort stattfände. Deshalb stellte sich in der Vergangenheit für die Unternehmen gerade bei Kurzzeitschulungen, wie zwei-, dreistündigen Produkteinführungen oder eintägigen Seminaren, die Frage: Steht der Output in einer angemessenen Relation zur Investition? Häufig lautete die Antwort Nein und die Schulung oder Weiterbildung unterblieb.
Bei Webinaren hingeben stimmt aus Unternehmenssicht das Input-Output-Verhältnis, weshalb sie auch beim Schulen grösserer Personengruppen verstärkt auf diese Lernform setzen. Bei diesen Online-Seminaren sind die Rahmenbedingungen jedoch andere als bei einem klassischen Präsenzseminar. Und hieraus erwachsen wiederum spezielle Anforderungen an die Trainer oder Tutoren, die diese Seminare leiten. Qualifizieren können sie sich in Trainer- oder Multiplikatorenausbildungen, die im Auftrag von Unternehmen durchgeführt werden.

Die Autorin

Sabine Machwürth ist geschäftsführende Gesellschafterin der international agierenden Unternehmensberatung Machwürth Team Inter- national (MTI Consultancy), Visselhövede (D), die Unternehmen weltweit unter anderem beim Entwickeln und Realisieren effektiver Weiterbildungs­konzepte mit Hilfe der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie unterstützt (www.mticonsultancy.com; info@mwteam.de).


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