Vom Praktiker zum Informatik- Fachmann mit EFZ

Das Bundesamt für Berufsbildung hat unter dem Titel «Der Erfahrung einen Wert verleihen» eine Möglichkeit geschaffen, sich als langjährige Fachperson über ein Gleichwertigkeitsverfahren mit dem eidgenössischen Zertifikat auszeichnen zu lassen. 2008 und 2009 fanden Pilotdurchführungen in zehn Berufen im ganzen Lande statt, darunter auch in der Informatik. Mit zwei Fachleuten, die jetzt ihr Eidg. Fähigkeitszeugnis in Empfang nehmen konnten, sprach Alfred Breu.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/09

     

Was war Ihr Motiv, gleich bei den ersten in diesem Verfahren mitzumachen?
Fernando Bisonti: Als Fachmann wollte ich immer „Up-to-date“ sein. So wie ich verschiedene SIZ-, Hersteller- und weitere Informatik- und kaufmännische Ausbildungen mit Erfolg absolviert hatte, so wollte ich auch meine über 25-jährige Informatik-Praxis eidgenössisch anerkennen lassen. Dies rundet mein Profil ab.


Markus Sandhofer: Meine Informatikkarriere reicht bis ins Jahr 1984 zurück. Zu dieser Zeit konnte noch keine Berufslehre als Informatiker absolviert werden. So habe ich mich nach einer technischen Lehre mit diversen Weiterbildungen und Zertifizierungen in der Informatikwelt hochgearbeitet. Das Problem bestand allerdings darin, dass alle diese Zertifizierungen wie zum Beispiel der Microsoft System Engineer oder Microsoft Trainer tolle Titel waren, aber im Endeffekt nicht überall den richtigen Stellenwert hatten. Ich bilde in meinem Betrieb selber Informatiklehrlinge aus. Als ich von der Möglichkeit gelesen habe, das Eidgenössische Fähigkeitszeugnis als Informatiker nachzuholen, habe ich die Chance dazu ergriffen.


Was ist Ihnen das eidg. Fähigkeitszeugnis wert?

Bisonti: Nun ja, in unserem Lande wird dem Eidg. Fähigkeitszeugnis ein grosser Wert beigemessen. Mir wird es meine weitere Bildung erleichtern.


Sandhofer: Dank dem EFZ und meinen weiteren Ausbildungen und Erfahrungen kann und werde ich ein Nachdiplomstudium in Angriff nehmen. Ebenso habe ich nun einen offiziellen und anerkannten Nachweis über meine Informatik-Kompetenzen, welche ich in den letzten 24 Jahren erlangt habe.


Wem würden Sie die Validierung empfehlen?


Bisonti: Allen, die in der Informatik noch keinen passenden Abschluss haben und in der Systemtechnik, Programmierung oder als Generalisten tätig sind.


Sandhofer: Dieses Verfahren empfehle ich allen langjährigen erfahrenen Berufsleuten der Informatik, welche kein offizielles Zertifikat besitzen.


Wie findet man im Validierungsverfahren heraus, ob jemand mindestens so viel kann, wie ein Absolvent der Lehrabschlussprüfung?

Bisonti: Der Vergleich der Facharbeiten der Lehrabschlüsse durch die Prüfungskommission Informatikberufe mit den Referenzarbeiten der Bewerber lassen schnell auf die Fähigkeiten schliessen. Dazu klären sie es im Expertengespräch ab, ob die Angaben im eingereichten Dossier auch zutreffen.


Sandhofer: Wichtig ist, dass man einen Nachweis erbringen kann, dass man schon einige Jahre erfolgreich verschiedene, auch komplexe Gebiete in der Informatik bearbeitet hat. Dieser Nachweis muss in einem umfangreichen überprüfbaren Dossier mit Zertifikaten, Arbeitszeugnissen, Arbeits- und Projektbeschreibungen etc. dargestellt werden. Dazu muss eine Referenzarbeit angegeben und beschrieben werden. Nach dem Dossierstudium wird man von zwei Experten zu einem Fachgespräch eingeladen, in welchem sich diese überzeugen, in der Tat einen Fachmann vor sich zu haben.


Welche Erfahrungen haben Sie noch gemacht?


Bisonti: Die Webseiten von ZLI & I-CH beinhalten viele Informationen zu den Anforderungen und Ausbildungswege zum Informatiker. Auf diesen Seiten wird auch die Validierung beschrieben. Bei manchen Modulen habe ich mir vom Compendio Verlag die Schulungsunterlagen besorgt. So konnte ich die Tiefe & Breite des Stoffes besser einschätzen und beurteilen, ob die Anforderungen erfüllt sind.


Sandhofer: Das Wichtigste ist, dass die eigenen Fähigkeiten und die Facherfahrung selbstkritisch beurteilt werden. Auch darf der Arbeitsaufwand für die Bereitstellung der Unterlagen und das Schreiben einer Facharbeit nicht unterschätzt werden. Zusätzlich ist auch eine seriöse Vorbereitung auf das Fachgespräch unerlässlich.


Alfred Breu, Zürcher Lehrmeistervereinigung Informatik.


EFZ für Quereinsteiger


Das Schweizerische Berufsbildungssystem kennt als Grundlage die Berufslehre mit Lehrabschluss, welche mit dem eidg. Fähigkeitszeugnis (EFZ) bestätigt wird. Gegen 80 Prozent der Schulabsolventen/-innen gehen diesen Weg. Häufig aber wechseln sie den Beruf und haben im neuen Tätigkeitsfeld oft den Nachteil, keinen Abschluss vorlegen zu können. Bei der Informatik kommt noch dazu, dass die Informatikerlehre erst seit 1994 möglich ist. Dennoch haben die inzwischen rund 16‘000 Informatiker/-innen mit EFZ als normative Kraft gewirkt. Somit kommen Quereinsteiger/-innen immer wieder unter Druck, ihre Kompetenzen zu belegen. Das genau ermöglicht nun das Programm «Der Erfahrung einen Wert verleihen» des Bundesamtes für Berufsbildung.





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