Editorial

Social Networks: Wo ist Walter?


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/10

     

Kennen Sie das Kinderbuch «Wo ist Walter?»? Auf einer mit Leuten übervollen Doppelseite verbirgt sich irgendwo die Hauptperson Walter, die es möglichst schnell zu finden gilt. Walter heisst zwar in Amerika Waldo, in Frankreich Charlie, in Norwegen Willy oder im britischen Original sowie in Italien Wally, doch überall scheinen Kinder wie Erwachsene auf der Suche nach dem Brillenträger mit der Bommelmütze zu sein. Personensuche ist auch im richtigen Leben ein heisses Thema. Schätzungsweise zehnmal täglich sucht heute ein durchschnittlicher Europäer nach personenbezogenen ­Informationen. Das entspricht 30 Prozent aller Suchen überhaupt und macht Personen zur meistgesuchten Suchkategorie. Dabei werden alle möglichen Kanäle genutzt: vom Outlook-Adressbuch über Google, Xing und Facebook bis zu neuen Personensuchmaschinen wie Spock. Auch mobil wird gesucht – über das Handy-Adressbuch oder ganz klassisch über die Auskunft.



Kein Wunder: Seit Networking in ist, füllen sich unsere Adressbücher und der Überblick geht schnell verloren. «Wer war das denn schon wieder?» haben Sie beim Durchblättern Ihrer Visitenkartensammlung sicher auch schon gedacht. Das Hauptproblem ist, dass wir zwar den Kontakt gespeichert haben, nicht aber den Kontext. Bei so vielen Kontakten ist es gar nicht mehr möglich, sich zu jeder Person zu merken, in welchem Zusammenhang man sie kennen gelernt hat und wozu sie nützlich sein könnte. Deshalb haben immer mehr Menschen den Drang, ihr Netzwerk auch auf dem Internet abzubilden, weil dort dank den persönlichen Profilen der Kontext viel einfacher ersichtlich ist. Und selbst wenn viele soziale Netzwerke noch belächelt werden – letzthin meinte ein Kollege zu mir: «Was, Du hast ein Profil auf Facebook? Willst Du Teenies kennenlernen?» – und sicher auch sehr viel unbrauchbares Zeug damit verbunden ist, ist ein komplettes Abbild meines Bekanntenkreises wesentlich praktischer, interessanter und brauchbarer als mein Outlook-Adressbuch. Und zwar eben deshalb, weil ich auf einen Blick alle Zusammenhänge sehen kann.




Dass das so ist, haben auch Microsoft und Co. erkannt, womit auch klar ist, weshalb Facebook inzwischen 15 Milliarden wert ist. Hoffentlich kauft Microsoft Facebook und integriert es ins Outlook-Adressbuch, dann könnte ich endlich mein ganzes Netzwerk als Whitelist definieren und hätte nie mehr Spam.



Mindestens so wichtig wie Kontakte sind aber Informationen zu diesen, zum Beispiel Mails und Dokumente. Auch dafür gibt es nützliche Werkzeuge: In Outlook sorgt seit kurzem Xobni (www.xobni.com) dafür, dass ich jederzeit alle Mails unter verschiedenen Gesichtspunkten anschauen kann. Damit wird die Übersicht stark verbessert, wenn ich beispielsweise nach einem Dokument suche, das irgendwo in einem Anhang steckt und ich nicht mehr weiss in welchem.



Der zukunftsträchtigste Trend ist aber, Informationen über Personen zu finden, die ich noch gar nicht kenne. Banken setzen zum Beispiel eine Technologie des ETH-Spin-Offs Netbreeze ein, mit deren Hilfe sie bei der Überprüfung neuer Kunden das Internet nach Meldungen zur Geldwäscherei abgrasen, die mit dem Kunden in Verbindung stehen. Oder sie durchsuchen öffentliche Mitgliederdaten von Golfvereinen, um neue Kunden zu gewinnen. Oder sie schauen, welche Kunden mit anderen Kunden Beziehungen haben, wer mit wem auf einer Party erschienen ist und wer welche Feinde hat. Leider haben sie vergessen zu schauen, wer hinter den miesen Hypotheken steht. Aber wie gesagt, es ist halt erst ein Trend.




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