Virtualisierung aufgebohrt

VMware hat seinen Desktop-Virtualisierer einmal mehr mit interessanten Neuerungen aufgebohrt. Wir haben uns die aktuelle Beta 2 angesehen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/15

     

Vmware Workstation gilt bereits seit Jahren als technologischer Leader in der Sparte der Desktop-Virtualisierer. Der Vorsprung auf die Produkte der Mitbewerber war bereits in der Vergangenheit gross und ist in jüngster Zeit sogar weiter angewachsen. Der Grund: Microsoft hat die Weiterentwicklung ihres Konkurrenzproduktes Virtual PC zu Gunsten ihrer Server-seitigen Virtua­lisierungslösung Hyper-V auf Sparflamme zurückgeschraubt, und Parallels ist mit ihrer Lösung Parallels Workstation relativ spät in den Markt eingestiegen und hat Mühe, mit dem von VMware vorgegebenen Entwicklungstempo mitzuhalten. Wer nun glaubt, VMware würde ob dieser lukrativen Ausgangslage bei der Weiterentwicklung von VMware Workstation einen Gang zurückschallten und statt dessen mehr Ressourcen in die Entwicklung von Produkten investieren, bei denen der Konkurrenzdruck deutlich höher ist, liegt falsch. Mit der Version 6.5 will die EMC-Tochter dieses Jahr erneut eine überarbeitete Version nachlegen, die wiederum mit interessanten Innovationen aufwarten kann. Wir haben die aktuellste Beta 2 etwas genauer unter die Lupe genommen.


Unity vereint Host und Gast

Mit der Version 6.5 wird bei Vmware Workstation der bereits aus dem Mac-Ableger VMware Fusion bekannte Unity-Modus eingeführt. Damit lassen sich einzelne Anwendungen aus einer virtuellen Maschine ausserhalb des Desktops des Gastsystems direkt auf der Oberfläche des Host-Betriebssystems anzeigen. Mit Unity soll das lästige Hin- und Herswitchen zwischen Host- und Gastsystem auf ein Minimum reduziert werden und dem Benutzer eine nahtlosere User Experience vorgaukeln. Aktivieren lässt sich die Funktion, indem man in der VMware-Toolbar auf den Unity-Button klickt. Anschliessend werden alle derzeit geöffneten Anwendungsfenster des Gastsystems auf dem Hostdesktop angezeigt.



Die Anwendungen verhalten sich dabei weitgehend genauso wie auf dem Gast-OS: Sie werden in ihrem Originalfenster angezeigt (was zu bizarren Effekten wie beispielsweise einem Vista-Desktop mit Linux-Anwendungen führen kann), lassen sich frei verschieben und können auf die Taskbar minimiert werden. Damit man die Programme des Gastsystems sofort erkennen kann, werden sie mit einem farbigen Rahmen ausgezeichnet. Fährt man mit der Maus über den Start-Button (Windows) resp. das Applikations-Menü (Linux) des Hostsystems, wird das Start- oder Applikationsmenü des Gastsystems angezeigt, über das dann weitere Anwendungen gestartet oder Ressourcen (Folder, Laufwerke etc.) geöffnet werden können. VMware unterstützt dabei auch das Drag&Drop von Objekten zwischen Host- und Gastfenstern. Das funktioniert beispielsweise beim Hin- und Herkopieren von Files zwischen den Dateiexplorern von Host und Gast bereits problemlos.

Drag&Drop direkt in das Fenster einer Anwendung hat bei der von uns getesteten Beta allerdings noch nicht geklappt. Obwohl es sich mit Unity bereits recht gut arbeiten lässt, hinterlässt es noch einen etwas unfertigen Eindruck. Vor allem der Bildschirmaufbau der einzelnen Anwendungsfenster ist teilweise doch recht träge und hinterlässt auf dem Desktop des Hosts unschöne Grafikfehler.


Easy Install

Das Einrichten von Virtual Machines wurde noch in keinem Virtualisierungsprodukt so einfach gelöst wie in Vmware Workstation 6.5. Der als Easy Install bezeichnete neue Virtual-Machine-Wizard analysiert eine für das Setup angegebene CD oder ISO-Datei und wählt entsprechend des erkannten Betriebssystems eine vordefinierte Einrichtungsprozedur für eine unbeaufsichtigte Installation aus. Diese macht sich gleich anschliessend in Form eines Dialogs bemerkbar, bei dem man für die Installation benötigte Parameter wie Computernamen, Benutzer, Passwort vorab eingeben kann. Bei einem Windows-Betriebssystem kann zudem auch gleich der Serial-Key mit angegeben werden. Easy Install richtet dann die Virtual Machine inklusive der VMware Tools weitgehend automatisch ein. Leider steht Easy Install nicht für alle von VWware Workstation unterstützten Betriebssysteme bereit. Support gibt es derzeit lediglich für die neueren Windows-Versionen (ab Windows 2000) sowie für Red Hat Enterprise Linux 3, Mandriva 2006 und 2007 und Ubuntu Desktop ab Version 7.10.


ACE-Authoring

Die Authoring-Funktionen von Vmware ACE wurden bei der Version 6.5 nun vollständig in das Workstation-Produkt integriert und ersetzen das bisherige ACE Option Pack. Bei ACE (Assured Computing Environment) handelt es sich um eine Deployment-Technologie, über die Administratoren virtuelle Umgebungen vorkonfigurieren und an ihre Mitarbeiter verteilen können. Die Authoring-Funktionen für ACE müssen erst über die Settings der Virtual Machine aktiviert werden. Anschliessend wird eine weitere Registerlasche eingeblendet, über die nun zusätzliche Einstellungen wie zum Beispiel die Verschlüsselung des VM-Images, verfügbare Netzwerkverbindungen und Speichermedien, ein Ablaufdatum oder die Aktivierung eines Kopierschutzes vorgenommen werden. Auf Basis dieser Vorgaben lassen sich zum Schluss mit Hilfe eines Wizard sogenannte ACE-Packages erstellen, die dann an die Clients verteilt und mit VMware Workstation oder Player ausgeführt werden können.



Sehr praktisch ist die neu hinzugekommene Vorschaufunktion für Pocket ACE, mit dem sich virtuelle Umgebungen als Pakete auf einem USB-Stick speichern und direkt von dort ausführen lassen. Mit diesem Feature kann nun im Voraus berechnet werden, wieviel Platz die aktuelle Konfiguration für die Verwendung von Pocket ACE benötigt.


Record and Replay

Die in der Version 6.0 hinzugekommene praktische Record-and-Replay-Funktion, mit der VMware-Sessions inklusive aller CPU- und Geräte-Aktivitäten aufgezeichnet werden können, wurde weiter ausgebaut. So lassen sich jetzt während einer Aufzeichnung Marker setzen, die dann später beim Abspielen direkt angesprungen werden können. Zudem unterstützt Record&Replay jetzt auch Debugging. Aufgezeichnete Sessions lassen sich damit mit dem Debugger in Visual Studio 2005 oder 2008 untersuchen. Allerdings läuft dieses Debugging-Feature derzeit noch unter dem Attribut «Experimental», was bedeutet, dass das Feature bis zum endgültigen Release noch gestrichen werden kann oder von Vmware nicht vollständig unterstützt wird.


Konvertieren und Streamen

Erweitert wurde auch der integrierte Vmware Conversion Wizard. Dieser unterstützt nun neben den bisherigen Image-Formaten Virtual PC, Symantec Backup Exec System Recovery, StorageCraft ShadowProtect nun auch Acronis True Image und das Open Virtual Machine Format (OVF). Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch die neue Sharing-Option, die es erlaubt, virtuelle Harddisks (VHD-Dateien) gemeinsam mit Virtual PC und Virtual Server zu nutzen. Dabei wird die Virtual Machine wie bisher in die VWware-Umgebung konvertiert, das Original-VHD-File bleibt aber intakt. Anstelle des eigenen Harddisk-Formats (.vmdk) nutzt Workstation 6.5 dann direkt die VHD-Datei von Virtual PC resp. Server und kann auch direkt darauf schreiben.


Via Virtual Machine Streaming lassen sich Virtual Machines nun auch via Web-Server zur Verfügung stellen. Zum Start der Virtual Machine braucht man auf dem Client (funktioniert auch mit VMware Player) bloss die entsprechenden URL angeben und den Power-on-Button im neu eröffneten VM-Register betätigen. Danach wir der Streaming-Prozess in Gang gesetzt und man kann nach einiger Wartezeit mit der virtuellen Umgebung arbeiten, noch bevor der Download komplett abgeschlossen ist. Leider lässt sich dieses Feature noch nicht direkt aus der UI von VMware Workstation nutzen. Statt dessen muss man Downloadadresse erst etwas umständlich über einen Kommandozeilenbefehl (vmware.exe http://pfad_zur_vm.vmx) beim Client anmelden.



Einige Neuerungen gibt es auch beim Networking. So hat VMware der Linux-Variante von Workstation einen grafischen Editor spendiert, mit dem sich virtuelle Netzwerke sehr komfortabel erstellen und konfigurieren lassen. Im Zusammenhang mit Wireless-Netzwerken sorgt VMware Workstation nun automatisch für die Erneuerungen der IP-Adresse, wenn zwischen unterschiedlichen Netzwerken gewechselt wird.


Support für 3-D-Grafik

Ab Version 6.5 bietet Vmware Workstation erstmals Support für 3-D-Grafikbeschleunigung basierend auf DirectX 9 und dem Shader Model bis Version 2.0. Die 3-D-Funktionen lassen sich allerdings nur unter Windows XP als Gastsystem und Windows 2000, XP oder Vista sowie Linux als Hostsystem nutzen. Unsere DirectX-Tests, die wir mit dem in XP mitgelieferten Diagnose-Tool DirectX Diagnostics (dxdiag.exe) durchgeführt haben, liefen allesamt problemlos durch.
Neben dem Direct-X-9-Support unterstützt die neue virtuelle Hardwareumgebung von VMware Workstation das Zufügen oder Entfernen von virtuellen Geräten im laufenden Betrieb und erlaubt die Verwendung von Serial-Attached-SCSI-Adaptern (LSI Logic SAS). Wird Linux oder Windows Server 2008 als Gast verwendet, können nun auch CPUs und Speicher im Hot-Add-Verfahren installiert werden.



Eine weitere interessante Neuerung ist die Unterstützung für Smart Cards und entsprechende Lesegeräte. So kann man sich nun über eine im Host eingelegte Smart Card auch bei einem Gastsystem authentifizieren.
VMware hat die ohnehin schon breite Unterstützung von Betriebssystemen weiter ausgebaut. Neu gibt es Support für CentOS, Oracle Enterprise Linux und Asianux. Ausserdem sind eine Reihe von neuen Versionen von Betriebssystem hinzugekommen, welche bereits bislang unterstützt wurden. Dazu gehört auch Windows Server 2008, das nun als Hostsystem mit VMware Workstation offiziell kompatibel ist. Etwas enttäuschend ist allerdings, dass Windows Server 2008 (32- und 64-Bit) als Gast nur unter Vorbehalt (Experimential Support) unterstützt wird. Bleibt zu hoffen, dass sich dies bis zum endgültigen Release noch ändern wird.




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