IT-Experten als Manager gefragt

Von Carlo Napoli

IT-Manager arbeiten häufig an der Schnittstelle von IT und Geschäftsprozessen. Dabei ist dediziertes Wissen über Business Process Management (BPM) unerlässlich.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/09

     

Um Geschäftsprozesse mit geeigneten IT-Werkzeugen realisieren zu können, braucht es Führungskräfte, die sich in beiden Fachrichtungen auskennen. Meist sind es IT-Experten, die in diese Rolle hineinwachsen. Doch was sind die Aufgaben der IT-Manager, die im BPM mitwirken? Was müssen sie über Geschäftsprozesse wissen und wo liegen die Herausforderungen? Dr. Christian Thiel vom FHS-Institut für Informations- und Prozessmanagement und Dozent am Management-Weiterbildungszentrum der FHS St. Gallen erklärt: «IT-Manager, die im Business Process Management mitarbeiten, sollten Prozesse analysieren, modellieren und optimieren, die Anforderungen an unterstützende IT-Werkzeuge formulieren und Projekte einführen können. Dabei arbeiten sie eng mit den betroffenen Fachabteilungen zusammen.»
Aber weshalb ist das Management der Geschäftsprozesse, meist Business Process Management (BPM) genannt, für Organisationen so wichtig? Thiel ergänzt: «Ein professionelles Prozessmanagement fördert die Transparenz, Effizienz, Agilität und Sicherheit der Prozesse. Erst auf dieser Basis können Geschäftsprozesse auf die Bedürfnisse des Marktes und der Kunden ausgerichtet werden – und das ist für viele Unternehmen überlebenswichtig.» Eine ZHAW-Studie zum Thema BPM, die 2010/2011 in Deutschschweizer Unternehmen durchgeführt wurde, zeigt, dass etwa ein Drittel der befragten Organisationen über Prozessbewusstsein verfügt. «Insgesamt aber fehlen den meisten Unternehmen standardisierte Methoden und Richtlinien im Sinne eines BPM», verweist Thiel auf die Studie. «Viele beklagen einen Mangel an Ressourcen, oder dass eine konsequente Ausrichtung auf die Unternehmensstrategie fehlt.»

Ohne prozessorientiertes Denken geht es nicht

«Das Fundament eines jeden Prozessmanagements ist die Unternehmensstrategie. Geschäftsprozesse können nur dann erfolgreich definiert und optimiert werden, wenn sie in die Gesamtstrategie eingebettet sind», erklärt Thiel. Als nächstes sei entscheidend, dass in einem Unternehmen – besonders im Management – ein prozessorientiertes Denken überhaupt vorhanden sei. So sollten das Management und auch die Mitarbeitenden der tieferen Hierarchiestufen ihre Aufgaben als Teil eines Prozesses verstehen, der schliesslich zum Unternehmenserfolg beiträgt.
Wie bei den meisten Management-Projekten beginnt die Einführung und Etablierung eines BPM mit einer Analyse der Ist-Situation: Welche Prozesse gibt es im Unternehmen? Wer ist für was kompetent und verantwortlich? Diese und weitere Fragen zu beantworten, ist die Aufgabe des Prozessanalysten. Anschliessend widmet sich der Prozessarchitekt der Frage, welche Systeme für die Prozessoptimierung vorhanden sind und wie sie sich nutzen lassen. Der IT-Entwickler dokumentiert schliesslich die erfassten Informationen anhand der sogenannten Business Process Management Notation (BPMN). Diese Darstellung bildet die Grundlage für eine Automatisierung der Prozesse. Das Schwierige dabei ist, den richtigen Detaillierungsgrad für die Modellierung der Prozesse zu finden. Einerseits müssen die Prozesse genau genug beschrieben werden, dass sie im Alltag ohne weitere Rückfragen angewendet werden können, andererseits ist auch das Erstellen und langfristige Pflegen dieser Prozessdiagramme ein nicht unerheblicher Aufwand, den es einzugrenzen gilt. Das Gefühl dafür, welche Ausnahme oder welche Spezialität in einem Prozess noch modelliert werden soll, müssen die BPM-Experten haben. Dies kann sich auch darin unterscheiden, ob eine Prozessdarstellung die Grundlage für eine Software-Spezifikation ist, oder zur Beschaffung oder Anwendung von Standard-Software dient, in der üblicherweise generische Prozesse schon optimiert abgebildet sind.

IT-Werkzeuge evaluieren und einführen

«Sobald die bestehenden Prozesse analysiert sind, können sie anhand der Unternehmensstrategie überarbeitet werden. Ohne Ausrichtung auf die Strategie sind die Prozessoptimierungen aber ein Schuss ins Blaue», warnt Thiel. Zudem müssen die Prozesse kontinuierlich kontrolliert und überarbeitet werden, da sich das Umfeld eines Unternehmens ebenfalls laufend ändert. Sind die Prozesse definiert, geht es darum, für die Umsetzung die geeigneten IT-Werkzeugkästen zu finden. «Wobei die beste Lösung nichts nützt, wenn sie nicht auf die individuellen Anforderungen eines Unternehmens angepasst wird», betont Thiel. Vor allem zwei Fragen müssten berücksichtigt werden: Welche Systeme sind bereits im Einsatz? Und wie ist der Ausbildungsstand der Mitarbeitenden? Besonders der zweite Punkt dürfe nicht unterschätzt werden, so Thiel. Es nütze einem Unternehmen nichts, wenn es ein komplexes IT-System anschafft, das dann die Mitarbeitenden überfordert. Deshalb rate er eher, leicht bedienbare Tools auszuwählen. Das Schwierigste an der Evaluation ist, dass Geschäftsprozesse kein IT-Thema sind. Daher ist es wichtig, dass die IT-Manager eng mit den betreffenden Fachabteilungen zusammenarbeiten. Gemeinsam suchen sie – zum Beispiel in einem Workshop – nach geeigneten Lösungen. Anschliessend werden ein bis zwei Pilotprojekte durchgeführt, um potentielle Werkzeuge zu testen. Erst wenn diese Phase erfolgreich abgeschlossen wurde, erfolgt die Ausdehnung des Projekts auf das gesamte Unternehmen.

Überzeugungsarbeit leisten

Weiter gilt es die Unternehmensleitung vom Projekt zu überzeugen. Thiel empfiehlt dafür zwei Hauptargumente: «Zum einen gibt es zwingende Gründe für ein BPM. Beispielsweise die Tatsache, dass ausgeschriebene Aufträge für ein Unternehmen nur dann zu ergattern sind, wenn es gegenüber dem potentiellen Kunden ein professionelles BPM vorweisen kann. Auch ISO-Zertifizierungen sind mit Mindestanforderungen an das BPM verknüpft. Zum anderen gibt es Gründe wie die Förderung der Transparenz, der Agilität und der Effizienz durch ein BPM. Das dürfte eine Unternehmensleitung ebenfalls sehr interessieren.» Hat die Geschäftsleitung dem Projekt zugestimmt, müssen nun auch die Mitarbeitenden darüber informiert und vom Nutzen der angestrebten Veränderung überzeugt werden. Denn moderne IT verändert altbewährte Strukturen, Hierarchien und Unternehmenskulturen, was nicht bei allen Mitarbeitern auf Anklang stösst. «Mitarbeitende sollten in kleinen Schritten an solche Neuerungen herangeführt werden», rät daher Thiel und erinnert an die Aufgaben und Charakteristiken des klassischen Change Managements.

IT-Manager sind Vermittler

Die IT-Manager sind als Berater sowie als Manager von IT-Werkzeugkästen an allen Schritten des BPM beteiligt – von der Analyse bis zum Controlling. Das erfordert vielseitige Kompetenzen, von Kenntnissen zu Geschäftsprozessen über Change Management bis hin zu sozialen Fähigkeiten. Und nicht zuletzt darf der Bezug zur IT nicht verloren gehen. Weil IT-Manager häufig an Schnittstellen zwischen IT, Fachabteilungen und Unternehmensführung agieren, nehmen sie eine Vermittlerrolle ein. Sie müssen bereit sein, diese Aufgabe wahrzunehmen und sie benötigen dafür entsprechende Kompetenzen. Besonders Kommunikationsfähigkeit ist wichtig, um verhandeln und gemeinsame Lösungen finden zu können. Aber könnte BPM nicht ausgelagert werden? «Für die Analyse und später für Optimierungen einen externen Berater hinzuzuziehen, ist durchaus sinnvoll», so Thiel. Aber ansonsten rät er vom kompletten Outsourcing des BPM ab: «Generell sollte man nur das outsourcen, was man selbst versteht. Ansonsten kann man die Leistung und den Preis eines externen Anbieters zu wenig nachvollziehen, und das wäre gefährlich. Wer sich mit BPM nicht auskennt, tut gut daran, sich darin weiterzubilden und diese Aufgabe selbst anzupacken.» Grössere Unternehmen hätten in der Regel die nötigen Ressourcen, um Experten für die Schaffung eines BPM einzustellen. KMU müssten sich mit schlankeren Lösungen begnügen. Aber auch das lohnt sich, wie Stefan Stöckler, Studienleiter der Nachdiplomstudiengänge MAS in Business Process Engineering und MAS in Business Information Management an der FHS St.Gallen, bestätigt: «Ohne BPM liegt das ganze Know-how über Prozesse bei den einzelnen Mitarbeitenden. Wenn diese die Stelle wechseln oder aus anderen Gründen ausscheiden, geht womöglich das Wissen verloren. Für ein KMU wäre das ein immenser Schaden.» Insgesamt hängt die Etablierung eines BPM selten von der Unternehmensgrösse ab, entscheidender ist das Bewusstsein für prozessorientiertes Denken.


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